Im deutschen Sprachraum werden drei Technikklauseln unterschieden:
- Die allgemein anerkannten Regeln der Technik
- Der allgemein anerkannte Stand der Technik, beschreibt technische Möglichkeiten zu einem bestimmten Zeitpunkt.
- Der allgemein anerkannte Stand der Wissenschaft
Die Definition des Begriffs „Stand der Technik“ findet sich in§ 3 Abs. VI BlmmSchG und § 3 Nr. 11 Wasserhaushaltsgesetz wie folgt:
„Stand der Technik ist der Entwicklungsstand fortschrittlicher Verfahren, Einrichtungen oder Betriebsweisen, der die praktische Eignung einer Maßnahme zur Begrenzung von Emissionen in Luft, Wasser und Boden, zur Gewährleistung der Anlagensicherheit, zur Gewährleistung einer umweltverträglichen Abfallentsorgung oder sonst zur Vermeidung oder Verminderung von Auswirkungen auf die Umwelt zur Erreichung eines allgemein hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt gesichert erscheinen lässt. Bei der Bestimmung des Standes der Technik sind insbesondere die in der Anlage [der jeweiligen Rechtsnorm] aufgeführten Kriterien zu berücksichtigen. “
Konkretisiert wird diese Definition in den deutschen Anleitungen zum BlmSchG. Eine Präzisierung findet sich in § 2 Abs. 11 der Gefahrstoffverordnung:
,,[. . .] Entwicklungsstand fortschrittlicher Verfahren, Einrichtungen oder Betriebsweisen, der die praktische Eignung einer Maßnahme zum Schutz der Gesundheit und zur Sicherheit der Beschäftigten gesichert erscheinen lässt. Bei der Bestimmung des Stands der Technik sind insbesondere vergleichbare Verfahren, Einrichtungen oder Betriebsweisen heranzuziehen, die
mit Erfolg in der Praxis erprobt worden sind. Gleiches gilt für die Anforderungen an die Arbeitsmedizin und die Arbeitsplatzhygiene.“
In der Europäischen Norm EN 45020 Normung und damit zusammenhängende Tätigkeiten – Allgemeine Begriffe (ISO/IEC Guide 2:2004) wird unter Ziffer 1.4 der Stand der Technik wie folgt definiert:
„Stand der Technik: entwickeltes Stadium der technischen Möglichkeiten zu einem bestimmten Zeitpunkt, soweit Produkte, Prozesse und Dienstleistungen betroffen sind, basierend auf entsprechenden gesicherten Erkenntnissen von Wissenschaft, Technik und Erfahrung“
Es ist festzuhalten, dass der „Stand der Technik“ durch einen handwerklichen Auftragnehmer nicht zu gewährleisten ist, da er weder praktisch erprobt noch eingeführt ist, sondern das technisch machbare, also den technischen Entwicklungsstand beschreibt.
b) „Allgemein anerkannte Regeln der Technik“:
Die „allgemein anerkannten Regeln der Technik“ sind technische Grundlagen-Regeln oder auch Technikklauseln für den Entwurf und die Ausführung baulicher Anlagen oder technischen Objekten . Sie müssen nicht kodifiziert sein, sind es aber in der Regel.
Es sind Regeln, die in der Wissenschaft als theoretisch richtig erkannt sind und feststehen, in der Praxis dem nach neuestem Erkenntnisstand vorgebildeten Techniker durchweg bekannt
sind und sich aufgrund fortdauernder praktischer Erfahrung bewährt haben. Da dies bei neu entwickelten Produkten/Verfahren nicht anwendbar ist, gehören die durch das Deutsche
Institut für Bautechnik geprüften, zugelassenen und veröffentlichten Produkte/Verfahren zu den allgemein anerkannten Regeln der Technik. Die allgemein anerkannten Regeln der
Technik haben erhebliche Bedeutung für die Bestimmung der Soll-Eigenschaften von Sachen und als Haftungsmaßstab.
In EN 45020 werden die anerkannten Regeln der Technik wie folgt definiert:
„ 1.5 anerkannte Regel der Technik
technische Festlegung, die von einer Mehrheit repräsentativer Fachleute als Wiedergabe des Standes der Technik angesehen wird.
Anmerkung: Ein normatives Dokument zu einem technischen Gegenstand wird zum Zeitpunkt seiner Annahme als der Ausdruck einer anerkannten Regel der Technik anzusehen sein, wenn es in Zusammenarbeit der betroffenen Interessen durch Umfrage und Konsensverfahren erzielt wurde. [. .. ]
Im bürgerlichen Recht, insbesondere beim Werk- und beim Kaufvertrag, vereinbaren die Vertragsparteien häufig , dass die Sachleistung den anerkannten Regeln der Technik entsprechen müsse. Sofern keine ausdrückliche Vereinbarung vorliegt oder sich aus den Umständen nichts anderes ergibt, werden sie bei der Auslegung von Verträgen hinsichtlich der Soll-Eigenschaften einer Sache meist als Mindeststandard angesehen. Abweichungen hiervon sind dann ein Mangel. Beabsichtigt eine Seite Abweichungen, muss hierüber und über die Folgen, meist im Rahmen einer Bedenkenanmeldung, aufgeklärt werden.
Für Bauleistungen wird aufgrund der Dauerhaftigkeit des Werkes sowie des Kenntnisstandes der Ausführenden in der Regel die Einhaltung der allgemein anerkannten Regeln der Technik gefordert.
Den Allgemeinen Vertragsbedingungen für die Ausführung von Bauleistungen folgend ist der Vertrag so auszulegen, dass die „anerkannten Regeln der Technik“ als Mindeststandard heranzuziehen sind.
EN 45020 definiert wie folgt, was unter dem Begriff der Norm zu verstehen ist:
„3.2 Norm
Dokument, das mit Konsens erstellt und von einer anerkannten Institution angenommen wurde und das für die allgemeine und wiederkehrende Anwendung Regeln, Leitlinien oder Merkmale für Tätigkeiten oder deren Ergebnisse festlegt, wobei ein optimaler Ordnungsgrad in einem gegebenen Zusammenhang angestrebt wird Anmerkung: Normen sollten auf den gesicherten Ergebnissen von Wissenschaft, Technik und Erfahrung basieren und auf die Förderung optimaler Vorteile für die Gesellschaft abzielen.
Die allgemein anerkannten Regeln der Technik werden daher durch Normen beschrieben .
Veröffentlichungen, Richtlinien, auch sogenannte technische Richtlinien von Interessensverbänden beschreiben daher keinesfalls die anerkannten Regeln der Technik. Derartige Regeln können allenfalls Empfehlungen des jeweiligen Verbandes und damit der Interessenvertreter und Lobbyisten an seine Mitglieder darstellen.In einigen Fällen helfe diese allerdings, komplexe Sachverhalte vereinfachend auszudrücken. Sofern in Einzelfällen normativ keine Regelungen gegeben werden, können derartige Veröffentlichungen jedoch durchaus hilfreich sein.
Es ist jedoch auf ein diesbezügliches Urteil des Landgerichts Stattgart aus 2012 hinzuweisen, nach welchen ein Verstoß gegen EG-rechtliche Produktanforderungen durchaus anderslautend bewertet werden kann.
Das LG Stuttgart hat in einem Urteil vom 10.04.2012 -AZ 26 O 466/10-, Abgedruckt in NJW-RR 2012, 1169, folgende Klarstellung getroffen:
Hersteller von Maschinen mit großem Gefährdungspotential sind verpflichtet, durch Konstruktion und Benutzerinformation alle zumutbaren und erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um die Gefahren abzuwenden, die sich aus der Benutzung der Maschine ergeben können. Für diese Produktsicherheit ist neben den Erwartungen der Verbraucher der jeweilige Erkenntnisstand von Wissenschaft und Technik maßgeblich (BGH, NJW 1994, 3349; OLG Karlsruhe, VersR 2003, 1584 = BeckRS 2001; OLG Düsseldorf, NJW 1997, 2333).
Fehlen bei einer Maschine die aus EG-Recht (Maschinenrichtlinie 98/37/EG, neu 2006/42/EG) in das Produktsicherheitsgesetz (ProdSG) übernommenen Anforderungen, zum Beispiel die zuverlässige Überwachung einer gefährlichen Betriebsart trotz abgegebener Konformitätserklärung, so ist die Maschine fehlerhaft im Sinne des ProdHaftG.
Dies führt in entsprechender Anwendung der Rechtssprechung des BGH (BGHZ 104, 323 = NJW 1988, 2611; BGHZ 127, 320 = NJW 1995, 528) zur Umkehr der Beweislast.
Zumindest in Bezug auf Tore kann hier, zu mindesten im Einzelfall, auch der allgemein anerkannte Stand der Wissenschaft gefordert werden.
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